Frauen in der Führung

Interview mit Rebekka Bieri-Witzig, Stiftungsratspräsidentin SGh

«Meine (ehemals) schwarzen Locken waren immer ein auffälliges Merkmal – daher attestierte man mir eine Karriere als Rockstar – soweit kam es jedoch Gottlob nie!

Ich habe gerne den Weitblick und die Natur. Eine Velotour tut mir gut. Die Schönheit der Natur macht mich dankbar, glücklich und hilft, mich und meine Aufgaben aus Distanz zu betrachten. Es sind gute Zeiten des Nachdenkens und Betens.

Beruflich bin ich mit sehr vielen und unterschiedlichen Menschen unterwegs. Ich mag Menschen und finde es spannend zu sehen, wie sich Biografien entwickeln. Daher geniesse ich zwischendurch auch Zeiten allein. Zu einem guten Tag gehören deshalb auch Freiräume zum Lesen und Geniessen. Mein Mann kocht gerne und verwöhnt mich damit. Wir haben zwei erwachsene Söhne im Studium und eine 17-jährige Tochter in der Mittelschule. Diese Familienphase bringt viel Leben und Interessantes ins Haus und bereichert mein Leben.»

Du stehst seit einigen Tagen im Amt als neue Stiftungsratspräsidentin. Wie fühlt sich das an?

Wie bei jedem Neuanfang bin ich in der Orientierungs- / Einfindungsphase. In den vergangenen Wochen habe ich Grundlagenpapiere durchgeackert und mir die aktuellen Geschäfte vergegenwärtigt. Nun wandert mein Augenmerk noch mehr zu den zugrundeliegenden Prozessen. Dabei überlege ich mir oft, welches die richtige Flughöhe meiner Rolle und die des Stiftungsrats ist. Das ist sicherlich ein Findungsprozess.

Du leitest mit deinem Mann die Ferienzentren Casa Moscia und Campo Rasa. So wie ich das Pensum einer Hoteldirektion, die zwei Betriebe führt, kenne, wird es einem dabei nicht langweilig. Was hat dich bewogen, dieses Amt zusätzlich anzunehmen?

Ja, das stimmt. Langweilig wird es mir in meiner Aufgabe nicht. Das operative Tagesgeschäft der beiden Betriebe mit rund 30’000 Übernachtungen liegt in meiner Verantwortung. Ich erlebe das als Berufung für eine bestimmte Wegstrecke. Ein Fenster in eine andere Organisation tut jedoch gut. Die Themenfelder der Stiftung Gott hilft interessieren mich. Ich bin nicht so der Fernsehtyp und gestalte meine Zeit lieber mit gutem Lesestoff. Dazu gehören nun noch etwas mehr die Geschäftsunterlagen der Stiftung Gott hilft. Es war mir immer ein Anliegen, so lange im Stiftungsrat zu bleiben, bis der Gesamtleiterwechsel erfolgt ist. Dass ich diesen Übergang nun ganz nah begleiten darf, ist mir eine Freude.

Welche Vision hast du als Präsidentin für die Stiftung Gott hilft?

Die Stiftung Gott hilft soll eine dynamische Organisation bleiben, welche die Bedürfnisse der Menschen und Gesellschaft wahrnimmt und ihre Angebote stetig darauf ausrichtet. Die oft erwähnten vier Aspekte Professionalität, Spiritualität, Menschlichkeit und Wirtschaftlichkeit sind dabei keine langweilige Wiederholung, sondern herausforderndes Programm.

Wir begleiten Menschen in sehr unterschiedlichen Situationen. Ich träume davon, dass:

  • Mitarbeitende sinnerfüllte Arbeit bei einem attraktiven Arbeitgeber finden
  • Kinder und Jugendliche Förderung in ihrer Identitäts- und Ressourcenentwicklung erfahren und Ihren Platz in der Gesellschaft finden
  • Ältere Menschen ein liebevolles Zuhause erleben
  • Feriengäste, ob fromm, kirchenfern oder kirchenentfremdet Erholung und Inspiration finden
  • Ratsuchende neue Ressourcen entdecken und Hoffnung zugesprochen erhalten

Du hast Erfahrung, Beruf, Familie, Partnerschaft und eigene Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Welche Hilfestellungen könntest du anderen Frauen weitergeben und was rätst du ihren Männern?

Klare Zuständigkeitsbereiche, Zielorientierung (um 17.00 Uhr wollen wir abfahren oder nehmen wir einen Apéro zusammen) und gegenseitige Grosszügigkeit haben uns bislang sehr geholfen. Mein Mann hat mir im Hinblick auf die Geburt des 1. Kindes gesagt: „Wir tragen Kindererziehung und Haushalt gemeinsam, aber ohne uns gegenseitig zu korrigieren, sondern uns gegenseitig zu unterstützen.» Zudem haben wir das Privileg ein einfaches, uraltes Haus im hintersten Maggiatal zu besitzen. Dort ziehen wir uns gerne zurück und spazieren, reden, lesen, kochen…

Führen Frauen anders als Männer?

Mmhh, mindestens unterscheide ich mich darin von meinem Mann. Ich werte das nicht, sondern schätze die Ergänzung. Mitarbeitende erleben mich wohl klar, direkt, sachlich, sogar nüchtern. Ich mag Aufrichtigkeit und sachliche Analyse, bin kaum anfällig für Geschwätz und Nachrede. Das wirkt vielleicht etwas nüchtern, schafft dafür auch Sicherheiten. Sind das typisch weibliche Eigenschaften? Die üblichen Stereotypen greifen sicherlich zu kurz. Prägender ist vermutlich das Persönlichkeitsprofil.