Freiwilligenarbeit – sozial engagiert
Mein Blick wandert in den Park des Campus. Eine Bewohnerin der Alterswohnungen jätet die Rosen. «So, wird dem Unkraut der Garaus gemacht?», rufe ich ihr zu. «Mein Gärtnerblut kann das nicht lassen», sagt sie und hackt munter drauflos. Freiwilligenarbeit ist Arbeit, aber sie macht offensichtlich Spass.
von Daniel Zindel
Engagement aus eigener Motivation
Es ist erstaunlich, wie viele Menschen dem Leben und der Gesellschaft etwas zurückgeben möchten. Dabei setzen sie ihre Fähigkeiten und ihre Zeit unentgeltlich ein. Bei der Freiwilligenarbeit geschieht die Motivation von innen heraus. Wichtig ist, dass die Aufgabe, die sie übernehmen, Sinn stiftet. Dieser entsteht, weil sie als Freiwillige an einem übergeordneten Ganzen partizipieren können und sie ihre Kraft zum Wohl und Wachstum von Menschen einsetzen können. «Setz mich dort ein, wo du mich brauchen kannst», war früher die Devise. Nicht selten wurden dann Freiwillige einfach als Laufburschen und Lückenbüsser eingesetzt, die sich aufopferten. Heute nehmen Freiwillige ihren Einsatz selbstbewusster und selbstbestimmter wahr. Passgenaue Einsetzung von Freiwilligen verlangt ein gutes Abstimmen zwischen den Bedürfnissen der Freiwilligen und denen des Betriebs.
Fragiles Engagement
«Professionelle müssen, Freiwillige dürfen,» antwortete mir mit einem angehängten Smilie einer meiner Mitarbeitenden auf die Frage, wo er den Hauptunterschied zwischen seinen regulären und freiwilligen Mitarbeitenden sieht. Tatsächlich ist die Arbeit von Ehrenamtlichen freiwillig und damit auch fragil, weil sie jederzeit zurücknehmbar ist. Das ist richtig so. Die Zeit für ein Ehrenamt ist neben dem Beruf und der Familie begrenzt, die Gesundheit als Pensionierte keine Selbstverständlichkeit. In einem Betrieb strebt man Planungssicherheit an. Die Arbeit mit Freiwilligen erfordert viel Flexibilität.
Freiwilligenarbeit muss gemanagt werden
Die Integration von Freiwilligen in einen Betrieb verlangt gute und sorgfältige Führung, insbesondere zu Beginn ihrer Tätigkeit. Ich habe in meinem früheren Pfarramt viele Erfahrungen mit ehrenamtlich Mitarbeitenden gemacht. Wir waren vier Professionelle und etwa 80 freiwillige Mitarbeitende. «Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul», meinte einer meiner Kollegen, «du kannst froh sein, wenn du jemanden für diese Aufgabe findest.» Ich merkte bald, dass die Selektion von Freiwilligen etwas vom Wichtigsten ist. Dazu gehören auch Einsatzvereinbarungen und regelmässige Standortbestimmungen. Fragen des Datenschutzes und der Schweigepflicht müssen geklärt werden. Auch Versicherungsfragen. Verlässliche Strukturen, klare Kompetenz- und Verantwortungsrahmen, Regelung von Spesen etc. sind unerlässlich.
Ich vertrete heute den Grundsatz: Freiwillige müssen mindestens so sorgfältig geführt werden wie Professionelle. Sie haben es verdient – gerade weil sie nichts verdienen.
Konflikte lösen und Wertschätzung geben
Konflikte zwischen bezahlten und freiwilligen Mitarbeitenden müssen früh erkannt und gelöst werden. Weil Ehrenamtliche nicht dieselben Rollen, Kompetenzen und Verantwortungen im Betrieb haben («Rollenasymmetrie»), braucht es in der Zusammenarbeit einen Lernschub für Freiwillige und Bezahlte. Freiwilligenarbeit unbezahlt zu leisten und sich dabei selbstbewusst den Regeln eines Betriebs unterzuordnen, erfordert eine hohe Sozialkompetenz: ich muss nicht und doch muss ich. Als Professioneller Arbeit mit Ehrenamtlichen zu teilen, verlangt Demut. Selbstverständlich sollen freiwilligen Mitarbeitenden Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht werden.
Verteilung von Macht und Einfluss
Als ich als Pfarrer in der Arbeit mit Freiwilligen anfing, dachte ich anfangs, ich müsste möglichst viel meines Einflusses an sie abgeben, damit ihre Arbeit attraktiv sei. «Nur wenn ich Platz mache und ich Macht wie ein Stück einer Torte abgebe, können meine ehrenamtlich Mitarbeitenden Raum einnehmen und wachsen. Nicht selten habe ich sie dann schnell sich selbst überlassen, sie manchmal im Stich gelassen. Dabei verlangen freiwillige Einsätze hohe Präsenz der Professionellen. Es soll dabei eine Win–Win- Situation entstehen, bei der die Tortenstücke nicht kleiner werden, sondern die Torte insgesamt wächst: In komplexeren Systemen wie in einem Betrieb gibt es keine Machtkonstanz wie in einer Partnerschaft, wo der Machtzuwachs eines Partners an den Machtverlust seines Gegenübers gekoppelt ist. Man könnte vereinfacht sagen: Je mehr Professionelle und Freiwillige zusammenarbeiten, weitet sich ihr gemeinsamer Einfluss aus. Sie vergrössern ihre Angebote, steigern ihren Output und die Arbeit wird damit vielfältiger, erfolgreicher, fruchtbarer. Weil insgesamt die Verantwortungen und Kompetenzen zunehmen, wachsen und profitieren bei einer eingespielten Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen und Professionellen gleichzeitig alle miteinander.
Dank Freiwilligenarbeit schlummernde Gaben entwickeln
Also ja kein Rückzug der Professionellen, denn es ist gerade attraktiv, intensiv mit ihnen zusammen zu arbeiten. Von einer professionellen Gärtnerin, Köchin, Sozialpädagogin, Pfarrerin, Führungskraft kann ich viel lernen. Professionelle helfen mir, Gaben, die in mir schlummern, zu entwickeln. Das ist meine immaterielle Entlohnung. Ich mache dann nicht nur einen Job, sondern gehöre als Freiwillige zu einem grösseren, sinnstiftenden Ganzen und entwickle mich dabei. Indem ich dem Leben etwas zurückgebe, werde ich selber beschenkt.