Machtfallen in christlichen Unternehmen vermeiden
An sich ist Machtmissbrauch kein spezifisch christliches Phänomen: «Eine ewige Erfahrung lehrt, dass jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu missbrauchen (Charles den Montesquieu). Tatsächlich tendiert die Macht, die wir haben, uns zu korrumpieren. Und wenn sie absolut ist, tut sie das in absoluter Art und Weise (Lord Action). Es ist darum gut, die eigene Macht zu kennen. Insbesondere auch jene, die sich aus der Spiritualität ableiten könnte. Damit lässt sich vermeiden, in Machtfallen zu treten.
von Daniel Zindel
Sich seiner Macht bewusst sein
An einer Fachtagung von Institutionsleitenden sagte jemand, er hätte überhaupt keine Macht. Schallendes Gelächter im Raum. Wer ein Budget erstellt, Jobs vergibt, Mitarbeitende qualifiziert, hat Macht. Was gibt Ihnen Macht?
- Sie sehen attraktiv aus;
- Sie besitzen Geld und Zeit;
- Sie haben eine hohe Sprosse auf der Hierarchieleiter erklommen, führen viele Mitarbeitende und fällen Entscheide von grosser Tragweite;
- Sie verfügen über ein gutes Netzwerk und Seilschaften im und ums Unternehmen;
- Sie wissen viel und haben grosse Erfahrung;
- Sie wissen Ihr Dominanz- und Manipulationsgehabe einzusetzen;
- Sie sind voller Tat- und Willenskraft;
- als graue Eminenz haben Sie ein Langzeitgedächtnis – auch für die Schwachstellen aller Mitarbeitenden und ihrer Angehörigen;
- Sie sind Mitglied des Kantonsparlaments;
- Sie wissen, wo Gott hockt und haben den besten Draht von allen zu ihm …
Aus welchem Stoff ist die Macht gebaut, die ich habe? Aus welchen Komponenten ist sie genau zusammengesetzt?
Jede Führungskraft sollte für sich selbst darauf eine präzise Antwort geben können. Warum? Weil man Fallen dort aufstellt, wo die Mäuse sind? Machtfallen befinden sich auf dem Terrain unserer Machtaffinitäten.
Auch als Theologe kann man Macht missbrauchen …
Als Theologe kann ich gut sprechen und schreiben. Mit meiner Rhetorik beeindrucke ich. Ich versuche, mich neben Menschen auch von Gott inspirieren zu lassen. Ich bin seit 27 Jahren Gesamtleiter unseres Unternehmens und habe das Vertrauen unserer Mitarbeitenden. Das sind einige Komponenten meiner Macht. Im guten Fall bringe ich mit dieser Macht etwas transparent und begeistert rüber und kann unser Team für unsere Vision motivieren.
Ich kann mich jedoch mit diesen Gaben auch inszenieren und andere manipulieren und damit meine Macht missbrauchen.
Sie merken anhand dieses Beispiels, dass ich Macht nicht grundsätzlich negativ sehe.
Sie muss aber gehalten, kanalisiert, bei ihrer Anwendung auf ihre Motive hin überprüft und kontrolliert werden!
Machtfallen: Auswirkungen von Machtmissbrauch
Geschieht dies nicht, führt Macht erstens zu Defiziten an Empathie. Das Herz bekommt Hornhaut. Der Ohnmächtige kann viel besser solidarisch mitfühlen als der Mächtige. «Seit ich MS habe,» sagte mein Freund kürzlich, «habe ich ein Mitgefühl mit allen Hinkenden, welche die Strasse überqueren.» Eng mit grosser und unkontrollierter Macht verbunden sind sinkende «Standarts» des moralischen Handelns.
«Quod licet Jovi, non liket bovi», pflegte uns eine Lehrperson beizubringen: «Was Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt.»
Und so darf der oder die Mächtige über die Stränge schlagen und sich Dinge leisten, die sich andere nicht erlauben dürfen. Verantwortungsloses Ausüben von Macht führt zu einem eigennützigen, impulsiven Wesen, zu Unhöflichkeit und Respektlosigkeit. Macht verleitet uns auch, eigene Vorteile für sich und seinen Clan zu sichern.
Statt Menschen aufzubauen, beuten wir sie aus. Grosse Macht verleitet uns zudem, uns einzigartig zu fühlen.
Raus aus dem Mittelpunkt des Universums
Diese narzisstische Selbstüberschätzung infolge kumulierter, unkontrolliertem Machtmissbrauch verleitet dazu, sich als Mittelpunkt des Universums zu fühlen. Dieser Ausdruck bedeutet, dass sich alles um eines (uno) – nämlich um uns, dreht. Wir können zur Zeit bei einem bekannteren Präsidenten fast täglich beobachten, wie diese Machtversessenheit und Ichbezogenheit zu gravierenden Führungsfehlern führen. Darum müssen wir als Leitende raus aus dem Mittelpunkt des Universums an den uns angemessenen Platz. Dazu ein paar Anregungen:
- Stellen Sie Ihre Macht ganz hinter die Vision und Mission Ihres Unternehmens. Unsere Macht soll voll unserem Auftrag dienen. Damit wird Macht zur zielgerichteten Gestaltungskraft. Unsere Macht wird durch die Fokussierung auf den Auftrag kanalisiert und ihre korrumpierenden Auswirkungen werden dadurch minimiert.
- Macht muss geteilt werden. Ich war als Gesamtleiter schon einige Male frustriert, wenn mich unser Stiftungsrat oder meine Kollegen in der Geschäftsleitung ausbremsten. Aber genau solche «checks and balances» kontrollieren unsere Macht. Es ist ein Zeichen von guter Machtverteilung, wenn wir nicht immer freie Fahrt haben und zurückgepfiffen werden.
- Gute Policies: Veraltete oder schwammig formulierte Richtlinien oder unregulierte Grauzonen, die längst eines sauberen Reglements bedurft hätten, fördern Machtmissbrauch.
- Aber die besten Policies und Richtlinien ersetzen unsere inneren Haltungen nicht. Je mehr Macht wir zu verwalten haben, desto mehr sind unsere inneren Einstellungen wie etwa die Achtung vor der Würde jedes Menschen oder die Ehrfurcht vor allem Leben notwendig.
Unsere Spiritualität kann uns dabei eine Hilfe sein: Glaubende Menschen ordnen sich Gott unter. Wenn wir damit Ernst machen, dass die Welt im Innersten von ihm zusammengehalten wird, weist uns diese Haltung an den richtigen Platz: Wir sind und bleiben Geschöpfe unseres Schöpfers. Das macht uns – in gutem Sinn – demütig.
Demut ist der Mut zu dienen und schenkt die Weisheit, Machtfallen zu erkennen und zu vermeiden.